Bezirksliga Süd, 4. Spieltag 2000/2001
ESV Lok Meiningen - SC Suhl II   4:4

  Der angekündigte "schwere Brocken" aus Suhl sollte sich auch in einem dramatischen Spieltag als solcher erweisen. Beide Mannschaften mußten für das wichtige Treffen im Kampf um die vorderen Plätze leicht ersatzgeschwächt antreten. Der Verlierer scheidet im Kampf um den möglichen Aufstieg wohl sofort aus, da hier der Rückstand auf  den Überflieger aus Breitungen zu groß werden dürfte. Entsprechend vorsichtig begannen auch die meisten Partien. Bei Frank Jörges an Brett 1, Peter Lehmann an Brett 3, Vera Latka und Jan Grube an den Brettern 5 und 6 sowie Ersatzmann Walter Friedrich an Brett 8 ließen sich auch nach 2 Stunden noch keine großen Vorteile für eine der Parteien ersehen. Siegfried Müller an Brett 2 konnte durch seine ausgefallene Eröffnungswahl bereits frühzeitig seinen Gegner zu längerem Nachdenken zwingen, was sich später bei komplizierterer Stellung als sehr vorteilhaft erweisen sollte. Auch Uwe Rößner am 4. Brett hatte sich verheißungsvoll aufgebaut und seinen jungen Gegenspieler vor ziemliche Probleme gestellt. Recht schnell gelang hier ein Materialgewinn. Unerfreulich dagegen war das Bild am 7. Brett, wo sich Joachim Grube mit einer raffinierten Eröffnungsvariante seines aus taktischen Gründen weit hinten eingesetzten starken Gegenspielers auseinandersetzen mußte. Ein frühzeitiger Bauernverlust und eine offene Stellung waren die Folge.
Bereits nach zwei Stunden wurden die ersten Resultate vermeldet. Latka und Jan Grube remisierten mit ihren Gegnern. Hier waren die Partien jeweils durch besonderen gegenseitigen Respekt gekennzeichnet und endeten nach nur 20 Zügen. Etwas mehr Mut zum Risiko sollte angesichts der angestrebten Saisonziele doch angebracht sein. Währenddessen mühten sich Jörges und Lehmann mit ihren Stellungen. Beide Gegenspieler hatten mit den weißen Figuren Druck entwickelt und konnten leichten stellungsmäßigen Vorteil verzeichnen, der bei Lehmann in einem Bauernverlust mit nur unzureichender Kompensation mündete. Ein Remisangebot lehnte sein Gegner folgerichtig ab. Müller konnte dafür seine Stellung weiter verbessern und seinen Gegner in eine ziemlich hoffnungslose Stellung drängen. Materialgewinn war der Lohn.
Auch Rößner hatte mittlerweile eine sehr vorteilhafte Position inne. Der Gegner war praktisch überspielt und mußte schließlich den Verlust eines Turmes für eine Leichtfigur verkraften. Was dann an diesem Brett passierte ist ein typisches Beispiel für eine psychologische Folge. Man sieht auf dem Brett großen Materialvorteil und keine ernsthaften gegnerische Drohungen mehr. "Nur" noch die technische Abwicklung in ein sicheres Endspiel ist notwendig. In solch einem Augenblick fällt die gesamte Anspannung der vorangegangenen drei Stunden vom Spieler ab. Jeder, der schon einmal Wettkampfschach betrieben hat, wird diesen Effekt kennen. In genau diesem Moment läßt die Konzentration nach, während der Gegner verzweifelt nach Rettung sucht und nur auf eine Schwäche lauert. Mit einem weiteren Bauernraub wollte Rößner die Abwicklung forcieren. Leider übersah er, daß dann durch ein Läuferschach sein Turm unrettbar verloren war. Somit war die Partie gekippt und aus dem sicher geglaubten Punkt wurde einer für den Gegner.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Joachim Grube seinem überlegenen Konkurrenten schon zum Sieg gratulieren müssen. Damit lag Lok nun einen Punkt hinten. Dazu kam die verlorene Partie von Rößner. Suhl schien sicher auf der Siegerstraße zu liegen, zumal sich auch noch Friedrich mit Remis zufrieden geben mußte und Jörges mittlerweile in größeren Schwierigkeiten steckte. Wenigstens konnte Lehmann langsam wieder ins Spiel zurückfinden, da sein Gegner zu diesem Zeitpunkt nicht die besten Züge fand. Lehmann konnte den verlorenen Bauern zurückgewinnen und nun selbst versuchen, die Initiative an sich zu reißen, was angesichts des auf dem Brett verbliebenen Materials sehr schwer sein sollte. Immerhin lehnte er trotz enormen Zeitverbrauchs ein Remisangebot seines Gegners ab.
Für ein kurzzeitig erfreulicheres Bild sorgte dann Müller, der es sich sogar leisten konnte, seinen Gegenspieler langsam und sicher zu zerlegen und den zwischenzeitlichen Ausgleich zu vermelden, der aber durch die Aufgabe Rößners schnell wieder Geschichte wurde. Nun standen Jörges und Lehmann vor der Aufgabe, noch mindestens 1,5 Punkte zu holen, was angesichts der Brettstellungen unmöglich erschien. Jörges mußte ums Remis kämpfen und Lehmann lehnte mit nur noch 15 Minuten auf der Uhr ein wiederholtes Remisangebot seines Gegenspielers in absolut ausgeglichener Stellung ab. Dieser wollte wohl nun schnell die Sache beenden und forcierte die Abwicklung des Endspiels inklusive Scheinopfer und Generalabtausch. Als dann schließlich nur noch je ein König, ein Springer und ein Bauer Lehmanns auf dem Feld waren, passierte ihm genau das Gleiche, was Rößner zwei Stunden vorher passiert war. Ohne jeden Grund stellte er seinen Springer auf ein bedrohtes Feld und verlor ihn kampflos. Der Rest der Partie war dann nur noch eine technische Abwicklung, wobei Lehmann gezwungen war, die letzten 25 Züge in nur noch 4 verbliebenen Minuten Bedenkzeit abwickeln zu müssen, was aber doch ohne große Schwierigkeiten gelang. Nach 104 Zügen war das Drama beendet und der glückliche Punktgewinn für Meiningen verbucht. Somit stand es 3,5 zu 3,5 und die Partie an Brett 1 mußte alles entscheiden.
Die Nerven der beiden Kontrahenten war nach nun mittlerweile fast 6 Stunden Bedenkzeit bis zum Zerreißen gespannt. Beide Spieler drohten mit Bauernumwandlung zur Dame und durch das Vorhandensein von Türmen waren stets auch gefährliche Schachgebote zu beachten. Zu guter Letzt hatten dann beide nur noch zwei Minuten Bedenkzeit und ein leeres Brett. Ihr Remisschluß beendete einen denkwürdigen Spieltag mit einem gerechten 4:4 angesichts der beiderseitig verpaßten Chancen, in dem der Sieger letztendlich Breitungen hieß, der sich ungeschlagen an der Tabellenspitze absetzen konnte.
Lok belegt nun punktgleich mit dem Tabellenzweiten Schmalkalden Platz drei der Tabelle. Eventuelle Aufstiegsambitionen sind nur noch mit einem Straucheln von Breitungen zu verwirklichen.

Besser als Lok Meiningen I machte es die zweite Mannschaft, die sich mit einem Sieg im Lokalderby gegen Wasungen knapp mit 4,5:3,5 durchsetzen konnte, und sich nun erfreulicherweise punktgleich mit dem Tabellenzweiten auf Rang drei in der Bezirksklasse befindet, womit das Abstiegsgespenst bereits verjagt sein dürfte. Herzlichen Glückwunsch!

Peter Lehmann