Schach, 8. Spieltag
Bezirksliga Süd: ESV Lok Meiningen – SC Suhl II   4,5:3,5
Bezirksklasse Süd: ESV Lok Meiningen II - TSV Benshausen II   5,5:2,5

Drei Wochen hatten die Meininger Schachspieler angespannt auf den 8. Spieltag der Bezirksliga Süd gewartet. Vergangenen Sonntag war es endlich soweit, das Spitzenduell mit Vorentscheidung um den Aufstieg der Landesklasse stand an. Zu Gast beim Tabellenführer aus Meiningen war die punktgleiche Vertretung vom Schachclub Suhl II. Nicht nur der aktuelle Tabellenstand sorgte für Brisanz. War es doch genau dieselbe Suhler Vertretung, die den Meiningern bei ihrem letzten Gastspiel in der Landesklasse in nicht ganz sportlicher Weise beim Abstieg nach nur einer Saison eine mitentscheidende Rolle spielte. Klar war den Meiningern auch, dass Suhl für diese Begegnung eine Mannschaft in die Theaterstadt schicken würde, die von der Stärke her während der ganzen Saison noch nicht in der Bezirksliga gesichtet wurde. Beim Verlesen der Mannschaftsaufstellungen war somit zwar kein Überraschungseffekt zu beobachten, beeindruckend war die Suhler Formation dennoch. Von acht Brettern stellten der Gast tatsächlich fünf mal den von der DWZ (Deutsche Wertungszahl) her stärkeren Spieler. Zwei Bretter waren ziemlich ausgeglichen und immerhin einmal waren die Meininger Favorit. Doch auch für die Meininger sprach Einiges. In den ersten sieben Spieltagen wurde sechs Mal mit Stammbesetzung gespielt und sechs Mal gewonnen. Hinzu kam, dass in der Tabelle beide Mannschaften 12:2 Mannschaftspunkte vorweisen konnten, die Meininger sich jedoch einen Vorsprung von drei Brettpunkten im Laufe der bis dato sehr homogenen und starken Saison herausgearbeitet hatten. Ein 4:4 als Endresultat würde letztendlich für die Meininger fast so wertvoll wie ein Sieg sein. Ein spannenderes Szenario hätte sich selbst Hitchcock nicht ausdenken können.
Am ersten Brett hatte Lehmann es mit einer 18-jährigen, hungrigen Nachwuchsspielerin zu tun. Mit dem Titel „Candidat Master“ hat sie sich schon früh internationale Lorbeeren erwerben können. Glücklicherweise konnte Lehmann in der häuslichen Vorbereitung mit Hilfe des Internets einige Partien finden und sich somit auf das Eröffnungsrepertoire seiner Konkurrentin vorbereiten. Wie geplant konnte Lehmann dann eine der Suhlerin unangenehme Variante aufs Brett bringen. Das spontane Abweichen durch seine Konkurrentin in eine unregelmäßige Abwicklung kam Lehmann erfahrungsbedingt zu Gute. Schon nach Ende der Eröffnungsphase bot sich die Gelegenheit, einen Bauern zu erobern. Rößner (2) hatte es mit einem gestandenen Thüringenligaakteur zu tun. Schon nach kurzer Zeit standen hier alle Zeichen auf Sturm. An Brett 3 bei Grube ging es ebenfalls bald hoch her. Beide Spieler wollten den Sieg. Schon frühzeitig deutete sich an, dass Grube in Zeitnot geraten würde. Dieser Nachteil wurde durch starkes Angriffsspiel kompensiert. Jörges (4) hatte sich wie Lehmann gegen eine weitere hoffnungsvolle junge Spielerin zur Wehr zu setzen. In diversen Turnieren hatte er seine Gegnerin schon etwas kennenlernen und ihre Spielweise studieren können. So gelang es ihm, hier die Zügel straff zu halten und die Partie in eher positionelle Bahnen zu lenken. Erfahrungsgemäß haben erfahrenere Spieler dann die besseren Karten. So auch hier. Ein kleiner Stellungsvorteil war der Lohn. Von Otte (5) war derjenige Meininger, der laut Ausgangskonstellation an seinem Brett als Favorit zu nennen war. Genau so gestaltete er auch seine Partie. Für ihn positiv war, dass er seinen Konkurrenten gut einschätzen und aus seinem Erfahrungsschatz die passende Eröffnungsvariante wählen konnte. Schon frühzeitig schuf sich von Otte so eine gute Ausgangsposition. Weiß (6) sei ein Fall für die Dopingprobe gewesen, scherzten seine Mitspieler später. Anstatt ehrfurchtsvoll auf die gute DZW seines Gegners zu schauen und vorsichtig zu agieren, fiel Weiß wie ein junger Wilder über seinen Kontrahenten her. Da dies aber nicht planlos, sondern richtig gut durchgeführt wurde, überrumpelte er den Suhler förmlich. Nach nicht einmal zwei Stunden Spielzeit stand es 1:0! Für Meiningen! Offensichtlich wirkte dieses positive Beispiel ansteckend. Webel (7) gilt nicht zu Unrecht als der professionellste Meininger Spieler. Wieder einmal war er hervorragend vorbereitet und stellte schon im 11. Zug zufrieden fest, dass sein Gegner im Prinzip schon „positionell hinüber sei“. So konsequent hätten diese Aussage zu diesem Zeitpunkt im ganzen Spiellokal wohl keine drei Leute unterschrieben. Nun ist aber im praktischen (Schach-)Leben die Erringung eines Vorteils nur die eine Seite der Medaille. Schwieriger ist dann gewöhnlich die Umwandlung des Vorteils in einen Sieg. Doch Webel lies seiner selbstbewussten Einschätzung auch Taten folgen. Nur eine gute halbe Stunde nach Weiß meldete er schon das 2:0. Eine hervorragende Leistung. Welsch (8) hatte es mit der dritten Dame in der Suhler Vertretung zu tun. Wer beide Spieler kennt, rechnet gewöhnlich mit einem schnellen Remis. Das konnten sich die Suhler dieses Mal aber nicht leisten. Doch der Partieverlauf begann hier recht ausgeglichen.
Angesichts des traumhaften Starts und der Tatsache, dass außer an den Brettern 2 und 3 für keinen Suhler ernsthafte Gewinnaussichten zu sichten waren, galt für die Meininger die Devise, nunmehr schnellstmöglich noch zwei Punkte zu ergattern, um das Minimalziel (mindestens vier Punkte) zu sichern. .So passte Jörges den richtigen Moment ab, um mit einem Remis auf diesem Weg einen wichtigen Schritt voran zu kommen. In leicht vorteilhafter Stellung wäre ein ganzer Punkt nur mit Risiko zu erreichen gewesen. Da für die Suhlerin diese Möglichkeit in weiter Ferne war, akzeptierte sie das Angebot. Die Entscheidung fiel dann praktisch an Brett 5. Von Otte hatte seinen Vorteil Schritt für Schritt ausgebaut und schließlich kapitulierte sein Gegenüber in aussichtsloser Position. Nach leicht schleppenden Saisonstart nunmehr schon der dritte Sieg in Folge!
Lehmann blieb es vorbehalten, die magische Grenze zu überschreiten. Angesichts der guten Lage verzichtete er darauf, den sicheren Bauerngewinn zu realisieren, ganz entgegen seiner sonstigen (natürlich nur schachlichen) Devise: „Nehmen ist seliger als Geben“. Da ihm selbst keine Gefahr drohte, versuchte er, seinen Stellungsvorteil zu forcieren, hatte aber da die Rechnung ohne seine Kontrahentin gemacht. Mit zwei guten Gegenzügen gelang es ihr, das Kräftegleichgewicht wieder herzustellen. Der Preis war allerdings der Abtausch nahezu aller aktiven Figuren. Das Remis war also folgerichtig und Lehmanns Trauer über den vergebenen Vorteil war sehr überschaubar.
Angesichts dieses uneinholbaren Vorteils war dann die Ordnung dahin. Nachdem dann auch noch Welsch mit einem stellungsgemäßen Remis das erwartete Resultat melden konnte, wurden dann Rößner und kurz darauf Grube Opfer der Meininger Freude. Obwohl bei genauem Spiel wohl mindestens ein Remis möglich gewesen wäre, gingen beide Punkte nach Suhl. Das interessierte zu diesem Zeitpunkt aber niemanden, nicht einmal die beiden Leidtragenden. Das nach dem Spielverlauf für Suhl sehr schmeichelhaft knappe Endresultat von 4,5:3,5 ist schon fast das Ticket in die Landesklasse. Am Abend stellte sich heraus, dass die beiden letzten Partien sogar schon zum Aufstieg hätten reichen können, verlor doch der Tabellendritte und Verfolger Schmalkalden etwas überraschenderweise in Steinbach.
Nur gut, dass nunmehr drei Wochen Zeit zum Verfliegen der Euphorie vergehen, ehe am Monatsende noch einmal eine solide Leistung gefordert ist. Gegen den Tabellenachten SC Rennsteig aus Kleinschmalkalden ist noch mindestens ein 4:4 notwendig. Es gibt im Sport genügend Beispiele, wie sicher geglaubte Positionen leichtfertig vergeben wurden. Hier ist die Mannschaftsleitung gefragt, die notwendige Einstellung bei allen Teilnehmern zu erzeugen!
Die zweite Mannschaft hatte mit Helmershausen einen alten Widersacher zu Gast. Leicht gehandicapt durch ein freigelassenes Brett boten die Spieler aus der Rhön nicht den erwarteten Widerstand. Ein ausgezeichnetes 5,5:2,5 konnte so trotz des krankheitsbedingten Ausfalls von Vera Latka erzielt werden. Siege durch Mannschaftsleiter Schmidt und Oleak wurden ergänzt durch einen jeweils halben Punkt durch Seifert, Hartmann, Hocke, Grube und Grundei. Becker erlebte einen geruhsamen Sonntag als Kiebitz, da die Helmershäuser nur mit sieben Spielern angetreten waren. Der einzigen Dame im Verein ist eine schnelle Genesung zu wünschen, dass sie ihre tolle Saison im letzten Spiel noch krönen kann!