Ein scheinbar recht einfaches Los zog der ESV Lok Meiningen
zum Auftakt des Thüringer Mannschaftspokals. Es galt auswärts
beim Vertreter der Bezirksliga Mitte Blau-Weiß Stadtilm zu bestehen.
Doch die Gesetze des Pokals gelten nicht nur beim Fußball, sondern
ebenso beim Schachsport. Jeder Gegner muß erst besiegt werden. Der
ESV trat mit Siegfried Müller am Brett 1 mit den weißen
Steinen, an den Brettern 2 und 3 Jan Grube und Vera Latka mit Schwarz und
am Brett 4 Joachim Grube wieder mit Weiß.
Nach verhaltenem Beginn an allen Brettern entwickelten sich bei den
Partien der beiden Grubes extrem verzwickte Stellungen, die ein Höchstmaß
an Konzentration und Berechnungstiefe verlangten. Dabei wurde auch entsprechend
Bedenkzeit verbraucht, was sich später rächen sollte. Müllers
Gegner versuchte dagegen, mit den schwarzen Figuren rasch zu vereinfachen
und eine Remisstellung zu erzeugen. Um die festgefahrenen Strukturen zu
lockern, opferte Müller eine Qualität gegen einen Bauern, um
auf diese Art einen Angriff zu erreichen. Eine daraus resultierende Remismöglichkeit
ignorierte der Stadtilmer Spieler dann allerdings, da er sich durch den
leichten Materialvorteil sicher und überlegen fühlte. Vera Latka
versuchte, ihrem jugendlichen Kontrahenten mit ruhigem und strategischen
Spiel in Nachteil zu bringen.
Nach drei Stunden war noch keine Entscheidung gefallen. Müller
fing an, seinen Angriff zu verstärken und Familie Grube kämpfte
mit dem Ablauf der eigenen Bedenkzeit und den komplizierten Stellungen.
Es kam dann, wie es kommen mußte, beiden Gegnern gelang es, die fehlende
Bedenkzeit auszunutzen und Schwächen in die Meininger Stellungen zu
bringen. Trotz Jan Grubes Bemühungen mit achtzehn Zügen in fünf
Minuten war es zu spät, beide verloren ihre Partien. Nun konnte nur
noch ein doppelter Sieg an den verbleibenden Brettern das Weiterkommen
sichern. Glücklicherweise werden im Pokal die vorderen Bretter höherwertig
eingestuft, was bei Punktgleichheit im Endergebnis hier Lok noch zum Weiterkommen
reichen würde. Latka war nun gezwungen, mit Schwarz auf Sieg zu spielen.
Durch geschicktes Lavieren gelang es ihr, mit verschiedenen Drohungen einen
Stellungsvorteil zu erreichen und schließlich routiniert den vollen
Punkt sicherzustellen. Dieser Sieg sollte auch für die kommenden Punktspiele
Selbstvertrauen geben. Mittlerweile war auch Müllers Plan aufgegangen,
durch sein Opfer eine Angriffsstellung zu erreichen. Obwohl die Verwertung
des Vorteils keineswegs einfach zu verwirklichen war, hat sich sein Gegenspieler
wohl nicht nur einmal ob der früher möglichen und nun vergangenen
Remischance erinnert. Kurz vor Ablauf seiner Bedenkzeit hatte Müller
es dann geschafft, den gegnerischen Spitzenspieler zu besiegen.
Letztendlich hat sich der ESV Lok der undankbaren Aufgabe des Favoriten
in einer Pokalrunde mit dem 2:2 dank Kampfgeist noch aus der Affäre
ziehen können. Aufgrund der Brettwertung rettete sich der Favorit
in die 2. Runde. Die dürfte angesichts des Gegners SC Gotha erheblich
schwerer werden. Vielleicht gelingt Lok hier aber die Revanche, denn Gotha
war in der letzten Saison in einer hochdramatischen Begegnung die Endstation
für die Meininger.
Peter Lehmann