Wie immer kurz vor dem Jahreswechsel hat der SK Bad Neustadt zur Stadtmeisterschaft
geladen. Aus terminlichen und familiären Gründen konnten dieses
Mal vom ESV Lok Meiningen nur Frank Jörges und Peter Lehmann teilnehmen.
Im Rekordteilnehmerfeld von 67 Teilnehmern wurden sie aufgrund der hochdotierten
Gegnerschaft nur im Mittelfeld eingestuft. Durch die Erhöhung des
Preisfonds fanden sich neben Seriensieger und Bundesligaspieler Wolfgang
Riedel auch zwei hervorragende polnische Internationale Meister sowie eine
Reihe Zweitligaspieler ein. Somit waren für die Meininger spannende
Aufgaben garantiert. Abgerundet wurde das Gegnerfeld von einer Reihe junger
und hungriger Nachwuchsspieler, die den Etablierten das Leben schwer machen
sollte. Die erste von sieben Runden geht traditionell gegen Spieler aus
dem hinteren Feld. Diese Aufgaben lösten sowohl Jörges als auch
Lehmann ohne größere Probleme. Bereits in Runde zwei sollte
die Herausforderung größer werden. Eine kleine Ungenauigkeit
Lehmanns in der Eröffnung wurde vom Gegner gnadenlos ausgenutzt und
sicher verwertet. Jörges machte es wesentlich besser. Gegen Thüringenligaspieler
Goemann gelang ihm ein wertvolles Remis. Auch in der Nachmittagspartie
dieses Tages stand er wieder gegen einen nominell höher eingestuften
Spieler lange gleichwertig und mußte sich erst spät geschlagen
geben. Lehmann agierte in dieser Runde übermotiviert und mußte
sich mit Remis zufrieden geben.
Am dritten Tag ging es mit frischer Kraft ans Werk. Lehmann hatte mit
dem zehnjährigen Nachwuchstalent Schneider
das vermeintlich leichtere Los. Trotz guten Spiels gelang es ihm nicht,
entscheidenden Vorteil zu erringen und willigte schließlich in ein
Remis ein. Das gleiche Los sollte im Turnierverlauf allerdings noch fast
allen weiteren Gegnern des Jungen beschieden sein, der letztendlich mit
50% der Punkte ein phantastisches Ergebnis erzielen sollte. Jörges
bekam es in dieser Runde mit dem Einheimischen Gerd Heerlein zu tun. Ein
Spieler, der nominell nicht sehr hoch eingeschätzt wird, aber durch
seine äußert unangenehme und bissige Partieanlage auch von guten
Spielern gerne gemieden wird. Jörges versuchte alles, kam aber über
das Remis nicht hinaus. Durch die dadurch nicht gerade üppige Punktausbeute
sollten am Nachmittag wieder leichtere Gegner warten. Sowohl Jörges
nach großem Kampf als auch Lehmann gegen einen jungen Nachwuchsspieler
konnten hier jeweils den vollen Punkt einfahren.
Somit war für den letzten Turniertag Spannung garantiert. Jörges
bezwang in einer guten Partie sicher seinen einheimischen Konkurrenten.
Lehmann hatte es schwerer. Sein Münchner Gegner packte in der Eröffnungsphase
einen raffinierten Zug aus, der wie eine Bombe in Lehmanns Stellung einschlug.
Das Resultat war eine zerstörte Bauernstruktur und zwei Minusbauern.
Aber im Andenken an einen großen deutschen Schachmeister („Aufgegeben
werden Pakete, aber keine Partien“) spielte Lehmann weiter, versuchte im
Laufe des Spiels mit dem verbliebenen Material einen Angriff zu starten
und zog mit seinem König Richtung Brettmitte ungeachtet der gegnerischen
Figuren, die für derartiges Verhalten eigentlich noch zu zahlreich
auf dem Brett verblieben waren. Doch wie es in solchen vermeintlich schon
gewonnen Partien oftmals ist, ließ die gegnerische Aufmerksamkeit
etwas nach und Lehmann hatte eine Stellung, die plötzlich wieder reelle
Chancen zuließ. Ein mögliches Remis verachtend, spielte er auf
Gewinn, siegte nach knapp fünf Stunden und ließ anschließend
einen ziemlich verstörten Gegner zurück.
Nun hatten beide Meininger vier Punkte aus sechs Partien und hatten
die theoretische Chance, bei einem Sieg in der letzten Runde sogar in die
Preisränge vorzustoßen. Nach Bekanntgabe der Auslosungen wurden
derartige Träumereien allerdings schnell wieder von der Realität
eingeholt. Beide mußten mit den schwarzen Steinen gegen weitaus höher
eingestufte Gegenspieler antreten. Jörges hatte das Vergnügen,
sich den Angriffen des polnischen Internationalen Meisters Dobosz zu erwehren.
Todesmutig begegnete er den Attacken mit einem mutigen Figurenopfer, das
den Maestro in nicht erwartete Probleme stürzte und mußte sich
später dennoch ehrenvoll geschlagen geben. Lehmann sollte länger
kämpfen müssen. Den massiven Angriff seines Widerparts konnte
er im Laufe der Partie durch ein Bauernopfer neutralisieren und in ein
schwieriges Leichtfiguren-Bauern-Endspiel überleiten. Angesichts seiner
Bauernmehrheit wollte der Gegenspieler natürlich nichts von Remis
wissen. Er versuchte stattdessen, mit schwierigen Manövern doch noch
einen seiner Bauern den Weg zur Dame zu ebnen. Nach fast 10 Stunden Gesamtspielzeit
an diesem Tag und nur noch 2 Minuten auf der Uhr zertrümmerte Lehmann
mit einem weiteren Bauernopfer die gegnerische Bauernstruktur und konnte
auf diesem Wege doch noch das Remis erzwingen.
Als Fazit standen letztendlich die Platz 20 für Lehmann (4,5 Punkte,
punktgleich mit Platz 9) und Platz 23 für Jörges (4 Punkte) zu
Buche. Angesichts des mäßigen Starts von Lehmann und der starken
Gegner von Jörges hervorragende Resultate.
Die ebenfalls teilnehmenden Spieler Köllmann und Kellner konnten
sich leider nicht so gut in Szene setzen und errangen beide jeweils 2 Punkte.
Peter Lehmann